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März 2015
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Reisebericht März 2015

Nicaragua 20. ‒ 28. März 2015

Reiseteilnehmer:

  • Dr. Peter Trus (Facharzt für Orthopädie, Bad Neustadt an der Saale)
  • Dr. Dieter Emmert (Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Orthopraxis, Ebersbach)
  • Daniela Emmert (Reiseorganisation)

Freitag, 20. März 2015

Am späten Abend Ankunft in Nicaragua. Wir werden von Dr. Espinoza und dessen Frau am Flughafen herzlich empfangen.

Samstag, 21. März 2015

Besprechung mit Dr. Oscar Espinoza über die weiteren Pläne. Unter anderem wollen Dr. Birkner und Dr. Emmert im kommenden November für eine Woche in seine Klinik komme, um dort arthroskopische Operationen, einschließlich hintere Kreuzband- Rekonstruktionen, durchzuführen. Im Gepäck hatten wir einiges Zusatz-Equipment dabei, unteranderem ein femorales Ziehgerät für Kreuzbandoperationen, Schraubenzieher für Interferenzschrauben, Kamerabezüge etc.

Sonntag, 22. März 2015

Am Abend kommt Dr. Peter Trus 1 Tag verspätet wegen eines Pilotenstreiks bei der Lufthansa in Managua an. Von Dino haben wir die sogenannte Blackbox ins Hotel geliefert bekommen, in der unser Equipment immer von einem zum nächsten Aufenthalt aufbewahrt wird.

Montag, 23. März 2015

Wegen der verspäteten Ankunft von Peter haben wir den Flug nach Puerto Cabezas von ursprünglich 6 Uhr morgens (man muss regelmäßig 2 Stunden vor Abflug am Flughafen anwesend sein) auf den späteren Flug um 10.00 Uhr verlegt, so dass wir erst gegen Mittag an der Karibikküste eintreffen. Wir checken in einem anderen Hotel ein als die letzten Male. Die Zimmer sind ganz ordentlich, leider haben wir die ersten 3 Tage kein fließendes Wasser.

Anschließend fahren wir mit Ernesto in das Krankenhaus, wo etwa 80 Patienten mit Knie- und Schulterbeschwerden, auf uns warten. Aus der großen Zahl der anwesenden Verletzten müssen wir diejenigen auswählen, die wir in den nächsten Tagen operieren werden.

Wie immer handelt es sich bei den Verletzungen um Kreuzbandverletzungen, Meniskusschäden sowie rezidivierende Schulterluxationen. Letzten Endes haben wir für die kommenden Tage 20 Patienten ausgewählt.

Abends essen wir mit Ernesto. Während des Essens wird ein Patient wird ein Patient mit einem Beckenbruch angekündigt, der mehr als 6 Stunden mit dem Krankenwagen durch den Busch unterwegs war. Wir begleiten Ernesto in die Klinik. Der Patient hat eine große Weichteilverletzung an der Hüfte und auf der Gegenseite eine Hüftpfannenfraktur. Durch den langen Transport ohne Infusion oder sonstige Versorgung, sowie den hohen Blutverlust befindet sich der relativ junge Patient im Schockzustand. Unglücklicherweise hat er eine sehr seltene Blutgruppe, von der in der sogenannten „Blutbank“ (ca. 10 Konserven) keine Konserve vorhanden ist. Wir haben uns alle testen lassen, eine Blutgruppe hätte gepasst, wir hätten auch gespendet, aber leider widersprach das den „gesetzlichen Regelungen“. Gemäß den gängigen Vorschriften mussten die erforderlichen Blutkonserven am nächsten Tag aus Managua mit der Linienmaschine (Ein-Propeller-Maschine!) gebracht werden. So stabilisieren wir den Kreislauf des Patienten bestmöglich und er wird dann auf der Intensivstation überwacht.

Dienstag, 24. März 2015

Heute beginnen wir mit den arthroskopischen Operationen. Geplant sind 5 Arthroskopien und eine Kreuzbandplastik. Der Ablauf ist insgesamt etwas zögerlich, da nach den einzelnen Operationen immer die benötigten Instrumente sterilisiert werden müssen. Und zwischendurch gibt es immer noch reichlich Zusatzarbeit, da Ernesto im Umkreis von 80 km der einzige Unfallarzt ist, so dass Verletzte versorgt werden müssen bspw. gebrochene Unterarmknochen bei Kindern eingerichtet und eingegipst werden müssen. Im Laufe des Vormittags kommt ein am Arm schwerverletzter Mann, der bei dem Versuch einen Machetenhieb abzuwehren eine schwere Weichteil- und Knochenverletzung am Unterarm erlitten hat. Wir reinigen die Wunde in Narkose und entfernen unter anderem auch Kaffeepulver, das zur Desinfektion in die Wunde gestreut worden war. Während des Abendessens erhält Ernesto dann die Nachricht, dass er ins Krankenhaus müsse, wegen einer Schussverletzung am Oberschenkel. In dem kleinen Ort Rosario, ca. 70 km von Puerto Cabezas entfernt, werden nach Ernestos Aussage, Meinungsverschiedenheiten nicht verbal, sondern mit Schusswaffen oder Macheten ausgetragen. Auch dieser junge Mann befindet sich wegen des Blutverlustes in einem Schockzustand. Auf dem Röntgenbild sieht man, dass das Projektil den Oberschenkelknochen auf einer Länge von 15 cm total zertrümmert hat. Zur Notfallversorgung wird ein sogenannter Fixateur extern angelegt. Meine Sorge gilt besonders den zerstörten Weichteilen. Je nachdem, wie sich der weitere Zustand des Beines entwickelt, wird eventuell noch eine Amputation des Beines durchgeführt werden müssen.

Mittwoch, 25. März 2015

Heute ist unser 2. Arthroskopietag: auf dem Plan stehen 5 Patienten mit Meniskusläsionen, Kreuzbandverletzungen.

Der Sterilisator funktioniert nur unzuverlässig, was zu weiteren Verzögerungen führt. Am Abend führt uns Ernesto durch das Krankenhaus. In allen Räumen finden wir erbärmliche Zustände vor. Die Betten sind verrostet, Das einzige Extensionsbett ist eine Konstruktion aus Holz. Alles ist sehr schmutzig, inklusive der sogenannten Intensivstation, auf der zu diesem Zeitpunkt 4 Patienten liegen. Man kann nur hoffen, hier nicht selbst als Patient eingeliefert werden zu müssen. Wie Peter vor 2 Jahren einmal so richtig angemerkt hat: man kommt aus diesem Krankenhaus nur lebend heraus, wenn man gesund hineingeht. Aber das trifft wohl nur für Mitteleuropäer zu.

Donnerstag, 26. März 2015

Heute wird der Start der arthroskopischen Operationen dadurch verzögert, dass zunächst ein junger Patient mit einer einem Sprunggelenk-Verrenkungsbruch versorgt werden muss. Das Sprungbein ist praktisch aus der Knöchelgabel heraus luxiert, die Weichteile sind in äußerst schlechtem Zustand, so dass nach einer notfallmäßigen Reposition ein Fixateur extern angelegt wird. Ernesto verwendet hierfür seine letzten Schrauben und Querstangen. Der Patient hatte sich wohl am frühen Morgen eine ordentliche Portion Marihuana gegönnt und war dann beim Versuch, auf dem Dach Reparaturarbeiten auszuführen, abgerutscht und in die Tiefe gestürzt.

Bis zum Nachmittag ist das anvisierte Arthroskopieprogramm weitgehend absolviert, eine junge Patientin mit einer Kreuzbandläsion müssen wir auf den nächsten Aufenthalt vertrösten.

Am späten Nachmittag besuchen wir dann noch ein Hotel in der Stadt, das von einer Deutschen geführt wird, Die Frau lebt seit über 20 Jahren in Nicaragua. 50 km entfernt bewirtschaftet sie eine Finca, zunächst gemeinsam mit ihrem Partner seit dessen Tod ist sie alleine für das Hotel und die Finca, sowie für die 16 – jährige Tochter verantwortlich.

Zusammen mit verschiedenen deutschen Organisationen hat sie ein Projekt in die Wege geleitet, im Rahmen dessen verhaltensauffällig und manchmal sogar strafällig gewordene Kinder und Teenager durch körperliche Arbeit auf der Finca lernen sollen, das eigene Leben wieder in Griff zu bekommen, sozusagen resozialisiert werden. Ihre Tochter ist von der Finka aus jeden Tag über eine Stunde zu Fuß zu der nächstgelegenen Schule gelaufen, was hierzulande normal ist. Jetzt ist sie fertig mit der Schule und möchte bis zum Studium eine Zeitlang Verwandte und Freunde in Deutschland besuchen.

Die Frau berichtet uns von der hohen Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit und dass bedingt durch die Klimaveränderungen die Flüsse immer weniger Wasser führen und die Ernten immer schlechter ausfallen.

Am Abend essen wir dann noch mit Ernesto und seiner Frau in einem Fischrestaurant am Meer. Sie eröffnen uns einen Blick hinter die politischen Kulissen: wie in einem totalitären Staat üblich, hat sich die Familie des Präsidenten vieles einverleibt, zentrale Positionen werden nur mit Personen besetzt, die in der Partei der Sandinisten FSLN organisiert sind. Wir sprechen unser großes Problem mit dem Transport von Instrumenten und Einmalartikeln an, die wir für die arthroskopischen Operationen benötigen und die vor Ort nicht bzw. nicht in der benötigten Ausführung verfügbar sind. Ernesto versichert uns, dass seine Krankenhausdirektorin alles versuchen wird, einen problemlosen, schnellen und vor allem sicheren Transport unseres Equipments nach Puerto Cabezas zu gewährleisten.

Allmählich gewinnen wir den Eindruck, dass ohne das Gesundheitsministerium in Nicaragua Nichts mehr möglich ist, die bürokratischen Hürden steigen von Jahr zu Jahr. Ganz offensichtlich ist die Präsidentenfamilie auch hier wie in allen anderen Bereichen des Staates mit finanziellem Gewinn beteiligt.

Freitag , 27. März 2015

Am Vormittag Rückflug in die Hauptstadt. Unser Gepäck wird beim Abflug in Puerto Cabezas sehr gründlich durchsucht, zwischen den Passagieren und dem Gepäck laufen die Drogenhunde schnüffelnd herum. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass von der Karibikküste aus Drogen in die übrigen Landesteile transportiert werden.

Samstag, 28. März 2015

Rückflug mit Delta Airlines über Atlanta nach Deutschland, wo wir am nächsten Morgen gegen 10.00 Uhr 3 Stunden später als geplant eintreffen.

Wir haben im Rahmen dieses Aufenthaltes wieder sehr viele Eindrücke gewonnen und unser erklärtes Ziel ist es, zu Hause durch das Sammeln von Geld- und Sachspenden die katastrophale medizinische Versorgung der Ärmsten hier am Ende der Welt zu verbessern.